Ich habe auch die Meinung
stets vertreten,
Daß neben seinem Schaffen,
Denken, Dichten
Der Künstler soll’ ein täglich
Werk verrichten,
Ihm unerwünscht manchmal,
stets unerbeten.
Ich weiß, im Grübeln, nie
gestörten, steten,
Liegt für des Grübelns Frucht
das Heil mit nichten;
Ich weiß, daß läßt’ge Stürme
kleiner Pflichten
Stets heilsam in die Glut der
Sehnsucht wehten.
Nur restlos aufgehn im
gemeinen Wirken,
Das kann ich nicht, und fühl,
mich drob nicht richtbar:
Denn mit mir selbst nur ist
mein Drang vernichtbar.
Peitscht mich aus meines
Denkens Lichtbezirken,
Ich werde Qualen, Martern, Tod
ertragen,
Nur Eines nie: dem höhern
Selbst entsagen!
Wir sind nicht immer, was wir
könnten sein,
Wir sind Geschöpfe äußrer
Machtgewalten;
Es kann der Größte sich nicht
groß erhalten,
Wirkt fort und fort nur Kleines
auf ihn ein.
Was macht mir die Erkenntnis
nicht für Pein,
Hier, wo ich mich vergebens
möcht’ entfalten!
Ich will mich groß und muß
mich klein gestalten,
Nur weil ringsher das Leben
wurmhaft klein.
In Freiheit, in Theatern,
großen Städten,
Wie wuchs ich auf, wie wußt’
ich aufzuleben,
Wie fielen ab des schnöden
Alltags Ketten!
Und hier gelingt mir kaum das
schlichte Streben,
Mein armes Ich im Werkeltag zu
retten,
Geschweig’ auf Geistes reinen
Höhn zu schweben!
Daheim bei meiner Lampe
trautem Schimmer,
Wenn überm Buch ich hinsann
lange Zeit,
Faßt mich der Drang nach
Lebens Wirklichkeit,
Zu Menschen dann, - ins
Wirtshaus eil’ ich immer.
Doch dort, am Tisch, in
rauchig dumpfem Zimmer,
Umzwängt von Prosa,
Seichtheit, Nüchternheit,
Greift mich nur stärker Qual
der Einsamkeit,
Das ich gesucht, das Leben,
dort ist’s nimmer!
Und wieder nach der Abendlampe
Schein
Steht mir der Sinn, zum Buche
zieht’s mich wieder,
Der unter Zehn ich zehnfach doch
allein.
So, stets voll Unrast
schwebend auf und nieder,
Sehn’ ich nach Haus mich aus
dem schalen sein
Und sing’ daheim dem Leben
Sehnsuchtslieder.
Nicht, daß es mir verwehrt in
stetem Zwange,
Die Jugend voll und würdig
auszuleben,
Nicht, daß ich jahrlang muß
mit Widerstreben
Entgegen schwimmen inn’rem
höhern Hange,
Nicht, daß dem Freiheits-
Lebens-, Liebesdrange
Statt weiten Felds ein Kerker
ward gegeben,
Nicht dies zunächst, - nein,
Eines macht mich beben
Zumeist und bleicht vor Gall’
und Gram die Wange:
Daß all der Druck, der Kampf
mit Motten, lähmend
Auf meinem Schaffen wuchtet,
hinter Gittern
Die Flugkraft meiner Seele
Schwingen nehmend,
Mich an Gedichten zwingt mich
zu zersplittern,
Vergiftend Zeit und Lust und
Muß’ und Stärke,
Zu sammeln mich zu einem
großen Werke.
Wenn von des Frons nie endend
hartem Zwange
Ich abends oft erschöpft nach
Hause kehre,
Mich mit des Dichters Waffe
dann bewehre,
Zu folgen eignes Herzens Zug’
und Drange;
Wenn, übermüdet, oft ich lang
und lange
Umsonst nach Ausdruck meines
Ichs begehre,
Wenn ich im Fron mit seiner Öd’
und Leere
Nur stets Hemmnis seh’ dem
Dichtersange,
Und seh’ der Jugend schönste
Jahr’ verstreichen
Und täglich um mein Bestes
mich bestohlen
Und höchste Kräfte nutzlos mir
verkümmern:
Dann naht Verzweiflung mir auf
raschen Sohlen,
Und mich erfaßt ein Zustand
ohne gleichen,
Wo ich den Blitz beschwör’,
mich zu zertrümmern!
Ich muß ein Brandmal auf der
Stirne tragen,
Ein Zeichen Kains, das jedem
Kinde sichtbar,
Denn daß ich haltlos, daß ich
aller Pflicht bar,
Als Dogma gilt’s, der Kleinste
darf mir’s sagen.
Ich muß gezeichnet sein, denn
nach mir schlagen
Darf jeder Ochs und niemand
ist er richtbar,
Daß meine Art nur mit mir
selbst vernichtbar,
Weiß keiner heut’, muß ich
allein beklagen.
Und mag ich, was ich will
auch, tun und lassen,
Ein Pflichtvergess’ner werd’
ich sein und bleiben
Stets denen, die mir fremd,
doch meine Richter.
So muß geächtet ich durchs
Leben treiben,
Verkannt von tauend, die mein
Ich nicht fassen,
Und was ist meine Schuld?...
Daß ich ein Dichter!
Es flammt im Busen mir ein
Freiheitsdrang,
Wie selten ihm ein fühlend
Herz geschlagen,
Es schafft das kleinste Soll
mir Mißbehagen,
Und jedes Müssen macht beinah’
mich krank.
Ein wahrer Kreuzgang ist mir
jeder Gang,
Den bloß ich wandle, weil mir’s
aufgetragen;
Ich möchte jeder Fessel mich
entschlagen,
Zertrümmern wollt’ ich jeder
Satzung Zwang.
So ist’s vielleicht ein Glück
noch, daß die Liebe,
Nach der sich Seel’ und Leib
mir fieb’risch drängen,
Mich selten nur beglückt im
Weltgetriebe.
Sie würde nur in neues Joch
mich zwängen,
Und Freiheit mißt’ ich nicht,
selbst ihr zuliebe;
Nein, größte Marter ist mir:
abzuhängen!
Im Fron des Werktags alle
Kraft zersplittern,
Sich restlos aus an Schalst’
und Kleinstes geben,
Betörter Wahn zur heil’gen
Pflicht erheben,
In jedem Blödsinn Gottgebote
wittern,
Vor niedrer Menschlein hohem
Scheine zittern,
Nach ihrer Gnad’ als nach dem
Höchsten streben,
ihr opfern Freiheit, Meinung,
Würde, Leben,
Brav Dank noch winseln hinter
Kerkergittern,
Nie zum Bewußtsein seines Ichs
gelangen,
Das Leben schließen, wie man’s
angefangen,
unkundig seines Werts, ins
Grab sich betten:
Dies mag vielleicht dem
Herdenpack behagen,
Das, frei, sich mit den
Hörnern würde schlagen –
Für mich bedeutet’s
Kerkernacht und Ketten!
Wann werd’ ich endlich diesen
Kerker sprengen?
Wann werd’ ich endlich diese
Ketten brechen?
Wann stumpfen diese Spitzen,
die mich stechen?
Wann reißen diese Fesseln, die
mich engen?
O könnt’ ich mich an diesen
Motten rächen,
Die mit Gewalt mich aus mir
selbst verdrängen!
O könnt’ ich sie mit heil’ger
Glut versengen,
Die stündlich Geistesmord an
mir verbrechen!
O tragisches Geschick, zu sein
Maschine,
Ein Werkzeug nur, in fremde
Hand gegeben,
Des Erst’ und Letztes: diene!
diene! diene!
Maschine? Nein, die letzte,
kleinste Schraube!
O schwerstes Los, verdammt zu
sein zum Staube,
Wenn’s tobt im Innern: leben!
leben! leben!
Schiller:
Die Piccolomini
Wenn ich, im Fron, auf Höfen,
Wiesen, Gängen,
Vor mir die Uhr, an Bäumen,
Wänden lehne,
Oft Drei erst finde, wenn
schon Fünf ich wähne,
Da Stunden sich zu Ewigkeiten
längen;
Wenn ich, ohnmächtig, selbst
dies Joch zu sprengen,
Die rasch’re Flucht der
schönsten Jahr’ ersehne,
„Ach, wär’ doch dies, und dies
vorbei schon!“ gähne,
Dann wieder nach der Uhr den
Kopf lass’ hängen:
Dann fällt mir stets das Wort
ein, das beredter
Mein Leid mir predigt, als je
könnten Klagen:
Kein Glücklicher hört auf der
Stunden Schlagen!
Die Uhr wird meines Unglücks
Barometer,
Sie zeigt, je öfter ich an sie
mich kehre,
Mir desto klarer meines Loses
Schwere.
Macht, was ihr wollt, ihr
bringt mich nicht zu Falle!
Ihr bleibt doch immer ihr und
ich – bin immer ich!
Haut aus mit euren Hörnern
wider mich,
Noch bin ich ja Gefang’ner
euch im Stalle!
Den Stall doch schafft ihr nie
zum Erdenballe,
Hier gibt’s noch Trost für
euern Hieb und Stich;
Und bricht mein Geist erst
draußen Bahnen sich,
Was sind mir dann – selbst eure
Preise alle!
Drum zu, nur zu, verwünschtes
Flohgeschlecht,
Versuch’s, zu Gnomen-Art mit
umzuschaffen,
Mir sei die Prob’ als Prüfung
grade recht!
Nie, nie, das schwör’ ich,
werd’ ich je dir Knecht!
Erlahmen soll’n an mir des
Alltags waffen,
Und sprechen soll die Welt
einst: Der war echt!
Anfang
Juni 1903
O glaub nur nicht, ohn’ Waffen
sei der Dichter,
Jedweder Motte machtlos
preisgegeben;
Es ist das Wort sein gutes
Schwert im Leben,
Mit ihm ist er des Gnomenpacks
Vernichter.
Zwar fehlt wohl dir ein
Nürnberger Trichter,
Daß du begriffes: mich
betrifft es eben;
Doch liest’s vielleicht ein guter
Freund daneben,
Der sagt’s dur schon, daß du
von dem Gelichter.
Laß dann dein Gift auf mich
herniederhageln!
Zerstampfst als Vieh du meines
Geistes Anger,
Ich stell’ dafür dein
Schandbild an den Pranger.
Mich soll es freun, zum Spott
und Warnexempel
Für spät’ste Zeit, an meiner
Zukunft Tempel
Wie eine Fledermaus dich
festzunageln!
Anfang
Juni 1903
Du bist durchschaut: Du
jubelst, wenn ich leide!
Du sähst am liebsten mich auf
glühn’den Kohlen!
Du hast mir Monde Freiheit
schon gestohlen,
Denn meine Knechtschaft ist
dir Augenweide.
O giftgeschwoll’ne Kröt’ voll
Haß und Neide,
Hör’ meinen Richtspruch frank
und unverhohlen:
Hast du die Macht gleich, trät’
ich dich mit Sohlen,
Wenn nach dem Werte man uns wöge
beide!
Doch diesen Bannfluch schleudr’
ich dir entgegen,
Und mög’ er treffen dich um
meinetwegen,
Wie des Verworf’nen Haupt des
Teufels Segen:
Wann einst mein Name glänzt ob
den Zypressen,
Soll’n deinen schnöden Staub
die Würmer fressen,
Samt Hirn und Herzen – die du
nie besessen!
Jüngst hatt’ ich einen Traum:
Ich ward gesteinigt.
Von allen Seiten stürten sie
gleich Hunden,
Und geder warf und warf, mich
zu verwunden,
Als ob mein Schmerz die Welt
vom Fluch gereinigt.
Wie ich so stand, verlacht,
verhöhnt, gepeinigt,
In Martern, wie ich keine noch
empfunfen,
Wandt’ ich mich um – da war
das Bild verschwunden,
Ich sah ein Volk zu selt’nem
Tun vereinigt.
In Festgewändern noch
verhüllter Zeiten
Hob’s auf die blut’gen Stein’
mit heil’gem Grauen
Und fing ein – Denkmal an
daraus zu bauen.
Da wacht’ ich auf, hub an, den
Traum zu deuten,
In meine Seele kam die alte
Stärke,
Und neu gerüstet setzt’ ich
mich zum Werke.